Seit Jahresbeginn ist Dr. Ludwig Richard Obmann der Fachgruppe Wien der Autobus-, Luftfahrt- und Schifffahrtunternehmungen. Wir haben mit dem Chef des traditionsreichen Familienbetriebs über aktuelle und zukünftige Herausforderungen der Branche gesprochen.
Öbus: Herr Dr. Richard, als Chef des „größten eigentümergeführten Busunternehmens im deutschsprachigen Raum“ engagieren Sie sich seit einigen Monaten zusätzlich als Obmann der Wiener Fachgruppe. Wie viele Stunden hat Ihr Arbeitstag?
Dr. Ludwig Richard: Ich würde die Frage anders formulieren, da bei mir der Übergang zwischen Arbeit und Freizeit fließend ist. Ist die Kontaktpflege bei einer Abendveranstaltung der Branche etwas anderes als die Arbeit im Büro? Das ist für mich kein Gegensatz. Meine Arbeitstage sind lange, ich sehe die Arbeit aber als wichtigen Teil des Lebens und mache das auch in dieser Intensität sehr gern.
Bleibt da noch ausreichend Zeit für die Familie und Hobbies?
Tatsächlich hätte ich gern etwas mehr Zeit für die Familie. Den Golfplatz sehe ich im Moment auch eher seltener, da wird sich an meinem Handicap (16, Anmerkung) aktuell nicht viel ändern.
Ich erinnere mich an unser Gespräch kurz nach Beginn der Pandemie, da waren die Herausforderungen, die sie zu meistern hatten, förmlich zu spüren. Wie sind Ihr Unternehmen und die Branche durch die Corona-Krise gekommen?
Viele von uns haben Verantwortungsgefühl gezeigt und haben den Umgang mit der Unsicherheit lernen müssen. Die Möglichkeit der Kurzarbeit war sicher hilfreich, wir haben kein einziges Dienstverhältnis coronabedingt gekündigt. Außerdem hat man gesehen, wie systemrelevantndas Funktionieren des öffentlichen Verkehrs in dieser schwierigen Zeit war. Ein Lob gilt auch dem Verkehrsverbund Ostregion und anderen Kunden, die sehr verantwortungsbewusst mit der Situation umgegangen sind. Dank der normalen Fahrpläne war der ÖV schnell aus der Kurzarbeit wieder heraußen.
Und der Reisebusverkehr?
Hier war es deutlich schwieriger. In meinen Augen haben die Unternehmer die Corona-Zeit situationselastisch meistern können. Aktuell hat sich die Reisebus-Nachfrage wieder erholt. Wir sind phasenweise sogar ausverkauft. Wir haben zwar die Fahrzeuge, aber kein Personal.
Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
Tatsächlich ist der Fahrermangel die größte Herausforderung, das Problem prolongiert sich. Unser wichtigster Faktor ist der Fahrer oder die Fahrerin.
Wie könnte eine Lösung beim Fahrpersonal aussehen?
Da das autonome Fahren noch länger nicht kommen wird, müssen wir aktiv etwas tun. Dienste am Wochenende und unregelmäßige Arbeitszeiten sind für manche Neueinsteiger nicht attraktiv, gehören aber zum Beruf dazu. Neue Technologien bei den Fahrerassistenzsystemen bringen dagegen mehr Sicherheit hinter dem Lenkrad. Arbeitsmarktseitig würde uns auch die Einstufung des Jobs des Busfahrers als Mangelberuf helfen. Außerdem sollte der systematische Zugang aus Drittländern erleichtert werden.
Was können die Unternehmer selbst dazu beitragen?
Wir versuchen immer wieder gemeinsame kreative Aktionen mit dem AMS zu lancieren. In den kommenden zwei bis drei Jahren werden uns aufgrund der demographischen Entwicklung einige tausend Lenker fehlen. An der Bezahlung allein liegt es sicher nicht, die ist laut Kollektivvertrag gar nicht so schlecht. Den Bewerbern sind die Arbeitsbedingungen und die Planbarkeit der Arbeitszeit sehr wichtig.
Was kann von Seiten der Interessenvertretung zusätzlich getan werden?
Die Busbranche bringt eine gute Leistung für die Allgemeinheit, wir wollen unsere Tätigkeit noch mehr in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung stellen. Unser Produkt ist grün und sozial, wir sichern die Mobilität und schützen das Klima. Der Beruf des Busfahrers hat eine sinnstiftende Funktion.
Wird das von der Gesellschaft auch so wahrgenommen?
Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die Rahmenbedingungen passen. Der Bus braucht seine Flächen und den Platz im öffentlichen Raum und spielt auch für den Tourismus eine wichtige Rolle. Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Elektromobilität im Stadtbusbereich? Seit 2020 haben wir in Villach einen Midibus mit Elektromotor im Einsatz
und immer wieder unterschiedliche Fahrzeuge im Test. Wir sind im Moment Lernende. Es gibt interessante Entwicklungen bei den Fahrzeugen, die schwierigere Aufgabe ist aber die Infrastruktur. Eigene Ladestationen sind dabei alternativlos. Die Kosten für Transformatoren für zehn bis 25 Busse sind siebenstellig, gemeinsam mit den höheren Kosten für die E-Busse ist das kaufmännisch schwer darstellbar. Man sollte auch nicht vergessen, dass mit Diesel-Bussen bessere und dichtere Fahrpläne möglich wären. Das
hätte gleichfalls einen positiven Effekt auf die CO2-Reduktion.
Wie sehen Sie die Themen Wasserstoff und E-Fuels?
Das sind interessante Technologien, die sich aber erst etablieren müssen. Das große Problem beim Wasserstoff ist abgesehen vom Wasserstoffpreis die Versorgung über entsprechende Tankstellen. Bei den synthetischen Kraftstoffen kenne ich mich im Detail zu wenig aus – das wird spannend, ob es funktioniert.
Sind die Werkstätten Ihres Unternehmens schon auf die E-Mobilität vorbereitet? Hier sind wir noch nicht so weit. Wir haben in unserem Fuhrpark auch E-Pkw, die lassen wir wegen der Komplexität extern reparieren. Wir arbeiten aber an der Qualifikation der Mitarbeiter. Das Thema der lokal-emissionsfreien Mobilität wird uns in Zukunft auf mehreren Ebenen beschäftigen und sowohl Linien als
auch Reisebusse zu noch grüneren Produkten machen.
Quelle: Öbus, 13.04.2023,